3. Alemany
Sie hängten ihre Mäntel an die Garderobe
wie die Haut, die sie vorm eigenen Tode retten wollten,
dem mickrig alltäglichen.
Unter der gut befestigten Maske - die Person
der Tragödie - streuten sie den Samen
der phonographischen Konversation
in die papierene Luft
des Wohnzimmers.
Die ein wenig zerkratzte Platte hakte
hin und wieder. Gähnende Löcher öffneten sich;
die Fächer
schlossen sich.
Da waren der Onkel, die Tante, die Cousinen
im Schulmädchenalter.
Das Licht der Abenddämmerung
von Motten zerfressen.
Ich, in einer Ecke, ganz allein, ungeachtet
der Blicke des Todes, spielte
mit Zinnsoldaten.
(Aus: Memòries i confessions d'un adolescent de casa bona (Erinnerungen und Bekenntnisse eines Heranwachsendem aus gutem Hause), 1974)
* * *
Am Morgen kam die Liebe zur Welt
und sie starb zur Abendstunde,
Rabenflügel im Wind
umflorten schwarzblau den Himmel.
Ein junges Leben, zwei Leben
verschmolzen im Morgenlicht,
am Mittag war’n sie verwelkt,
beim Abendrot schon getrennt.
Ein Ritter von edlem Herzen
hat das Gebirge durchquert,
auf furchtlosem Hochweg der Liebe,
der Tod folgt ihm auf dem Fuße.
Morgen, Mittag, Abend,
Augen, die sich öffnen und schließen.
Wenn die Stunde des Todes kommt,
löst sich das Blatt vom Baum.
Dein ist dann nicht der goldene Stern
und auch nicht der eisige Mond,
du wirst gehn und kehrst nie mehr zurück
zur Quelle des Morgenlichts.
Am Morgen kam die Liebe zur Welt
und sie starb zur Abendstunde.
(Aus: D'Urbanitat i cortesia, (Von Takt und Höflichkeit), 1979)
* * *
Bürger bin ich in fügsamem Gebiet,
vom Blitz verbrannt mein stumpfer Flecken;
Tote ohne Namen leben in mir, ein Gestieb
schattiger Standarten, Geister aus dunklen Ecken.
Getäuschter Mahner, Zorn und Wahn mein Antrieb,
schreib ich mit Pech und Bein, feurig den Namen zu wecken:
Schachbrett, wo lärmend Stellung bezieht
ein Heer von Plagen mit Tönen, die schrecken.
Verdammter Wurm bin ich, erniedrigt, getroffen,
letzte Brandung in einem Meer aus Schlamm und Schmutz,
Schrei in der Nacht, hoffnungsloses Hoffen,
und über Schwarz und Weiß setze ich meinen Fuß,
im Seeleninnern weht die Fahne offen:
auf gelbem Grund die Fingerspuren bittren Bluts.
(Aus: Mandràgola (Alraune), 1980)
* * *
Durch der Erinnrung dunkle Hinterzimmer
streicht es auf Katzenpfoten, in dem Blicke
ein Flackern loser Asche gestriger Geschicke
und aus den Ecken dringt mancher Geschicht’ Gewimmer.
Der Schatten kriecht auf dem Verputz, Verkünder
mastloser Nacht, für Umkehr keine Brücke,
entblätterter Kalender herbstet im Gerippe,
in jedem Ast der Mühsal ohne Ruhmesblätter.
Ich bin gewesen, bin noch, doch schon lange
bin ich verzehrt,ein altes Möbel, nutzlos,
nur leere Hände bleiben, Lärm vergangnen
Fests, längst verscharrt, verloren unterm Moose
verschwundener Pfade. Auf Verlangen
gib Antwort, stummer Mond, eisige Rose.
(Aus: Mandràgola, (Alraune), 1980)
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Lobgesang auf die Liebe
Es schwiegen schon die Glocken im hohen Opal des Mittags,
es blühte auf den Lippen Stechwindenbeerenblöße:
Ich sah dich vor Liebe ersterben.
Die Flamme stieg schon höher im Herz der Abendstunde
die Hirsche gingen wieder zu ihren Wassertränken
Ich sah dich vor Liebe ersterben.
Der Schrei schweifte umher ohne den Mond zu finden,
die Fänge schwarzer Nacht, die ihre Beute fassten:
Ich sah dich vor Liebe ersterben.
Die hohe Einsamkeit, die ihre Netze spann,
zerschnitt der Diamant, Kristallgrat trauriger Frühe:
Ich sah dich vor Liebe ersterben.
(Aus: La capella dels dolors i altres poemes, (Die Kapelle der Schmerzen und andere
Gedichte), 1981)
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Ich werd’ dir wehtun, Liebste, todumflort
sind meine Lippen, scheue Seele windet
dir Schmerzgirlanden, wo sie findet
lebendigsten Mohn und bringt dir großen Tort.
Ich werd’ dir wehtun, Liebste, sichren Hort
such für dein Herz, die Kralle des Begehrens ritzt, verwundet
die dünne Seide, wenn das Segel schwindet
erreicht das Schiff nie ruhigen Port.
Ich werd’ dir wehtun, Liebste, flieh mein Flehen,
bevor der brennenden Nacht ich unterliege
und Fledermäuse mir den Rückweg wehren.
Bevor die bösen Parzen meinen Blick auszehren,
fliehe mein Flehen, Liebste. Schicksal besiegen
Flügel im Wind: der Morgen lässt Wunder geschehen.
(Aus: La capella dels dolors i altres poemes, (Die Kapelle der Schmerzen und andere Gedichte), 1981)
* * *
Du würdest gern sagen der Regen. Ansetzen zum typischen Lob des Regens. All das mit dem glänzenden Asphalt, den schäumenden Kanälen, dem polierten Kopfsteinpflaster. Du würdest gern sagen, ein gelber Saal, glühender Salamander und jenseits des Fensters das Grau.
Du würdest gern ein Konzert für Gitarre schreiben, in einen roten zweistöckigen Autobus steigen; hättest gern, dass das Grau und das Grün nicht endeten, dass sie wie Watte in dein Herz drängen und es heilten. Du würdest gern in Tränen ausbrechen. Hättest gern den Fünf-Uhr-Tee auf dem Tischchen.
Man kennt das schon: il pleure dans mon coeur comme il pleut sur la ville. Smaragd. Ein Verlangen nach Nadeln auf der Haut. Du würdest gern mit ihr um die Ecken springen und unter dem Regenschirm lachen.
Du würdest gern diese Seide erklären, die dir unter den Fingern zerfällt, auswendig die Wurzel von drei mit vierzehn Dezimalstellen wissen. Hättest gern, dass sie dir in ein Taschentuch jene ausgeschliffene und sanfte Vertrautheit stickte. Du würdest gern die einfache Geste ausüben, den Regenschirm in den Schirmständer zu stellen.
Du hättest gern den Regen wie ein Magnolienbaum am Abend.
Halt dich nicht auf. Geh weiter.
(Aus: Jerusalem, 1990)
Aus dem Katalanischen übersetzt von Claudia Kalász ©