3. Alemany
Die Katalenen in der Welt
Einmal fuhr ich nach Birma und begleitete eine Expedition auf der Suche nach Schlämmkreide.
Die Reise verlief ziemlich gut und als ich in Yakri ankam, bot mir der Regent des Ortes wohlwollend seine Gastfreundschaft an. Da bislang wenige Europäer dorthin vorgedrungen waren, war jener Herr daran interessiert, mir den Glanz seines Hofes vorzuführen und hieß mich lange bleiben, so dass ich mich länger als geplant bei ihm aufhielt.
Damit mein westliches Aussehen die Hofsitten nicht beeinträchtigte, gab der Monarch mir eine ganz mit Perlen und Edelsteinen bestickte Kappe, die ich nur zum Schlafen ablegen durfte.
Die königlichen Residenzen dieser Länder sind wie Parks angelegt, wo Tiere und Menschen gemeinsam leben, wobei jedoch einige Unterschiede gegeben sind. Es gibt eine Vielzahl an Vögeln, Gartenelefanten, Katzen, heilige und gewöhnliche Schildkröten, Insekten je nach Jahreszeit und andere Tiere, so selten, dass man Respekt vor ihnen bekam.
Mein Aufenthalt dort war wie ein großes Fest. Wir sangen, tanzten und aßen von morgens bis abends und jedes Laster wurde auf seine Weise befriedigt. Aber da ich ein pflichtbewusster Mensch bin und nie ganz meine Aufgaben vergesse, kam der Tag des Abschieds, und der Regent organisierte eine große Folkloreausstellung, um mich zu beschenken.
Der Souverän, im Festgewand, ließ mich an seiner Seite Platz nehmen. Zu seinen Füßen lag eine Panterin und auf der rechten Schulter saß ein prächtiger Papagei. Der Regent klatschte in die Hände und das Programm begann.
Nachdem wir die Lieder aus den verschiedenen Gegenden des Landes gehört hatten, traten zweihundert Tänzerinnen auf, die auf eintönige Weise zu tanzen begannen. Der Tanz zog sich stundenlang hin, immer nach dem gleichen Schema, immer die gleiche Sequenz. Als mich die Langeweile überkam, sagte ich mitteilsam auf Katalanisch und mit lauter Stimme:
—Nichts für ungut, aber ich mag lieber die Tänze aus Castellterçol...
Der Papagei stieß einen gutturalen Schrei aus und sagte zu mir gewandt:
—Bringt euch nicht in Schwierigkeiten. Wenn Euch der Große Interpret hört, seid Ihr verloren.
Er sagte es in einem so korrekten Katalanisch, dass mir für einen Moment der Atem stehenblieb. Als Weltmann, der ich bin, verbarg ich meine Überraschung vor dem König, aber in jener Nacht, als alle schliefen, suchte ich den Papagei, der mir seine Geschichte erzählte. Er war ein katalanische Papagei aus Cadaqués, und die Irrwege des Lebens hatten ihn nach Birma gebracht.
So viele Dinge es auch waren, die uns trennten, so vereinte uns doch die Sprache und wir hatten gemeinsame Erinnerungen.
Wir sprachen vom Mittelmeer und von unserer Hoffnung, es bald wiederzusehen; am nächsten Morgen, als ich Yakri zu sehr früher Stunde verließ, war mir sanfter ums Herz als bei meiner Ankunft.
(Aus Cròniques de la veritat oculta, 1979, S. 138-140)
* * *
Das Testament der «Hyäne»
Ich war dazu abbestellt worden, einen Beamten umzubringen und ich musste, auch wenn es mir zuwider war, den Auftrag erfüllen. Würden wir auf dieser Welt nur das tun, was uns gefällt, würden wir zu weich werden. Außerdem bin ich der Meinung, dass ein militanter Kämpfer Disziplin und Gehorsam üben sollte.
Der Beamte empfing mich alsbald, da ich ihm im Namen einer Freundin von ihm einen vorzüglich gefälschten Brief brachte. Darin stand, dass ich ihm ganz im Vertrauen ein Paket brächte; als ich mich ihm gegenüber, auf der anderen Seite seines großen Ministertisches niederließ, öffnete ich meine Tasche und zog die Pistole mit dem aufgesetzten Schalldämpfer heraus. Der Bürokrat wurde weiß und zeigte sich sehr überrascht. Er können sich gar nicht erklären, sagte er mir, wie ich durch die Sicherheitskontrollen gekommen wäre. Als ich ihm erläuterte, dass wir sie bestächen, verfluchte er ganz wie ein Pharisäer die Korruption, die er selbst befehligte.
Er tat mir leid. Vielleicht war ich nicht genug daran gewöhnt oder es war einfach etwas anderes, die Dinge nur zu denken, als sie auch auszuführen. Auf jeden Fall konnte ich mich nicht dazu durchringen, ihn abzuknallen, dazu war ich nicht kaltblütig genug. Dazu noch die Skrupel, die auch ins Gewicht fallen.
—Was ist los? —fragte mich die Person.
—Sie müssen mir helfen—antwortete ich—. Wenn ich zu eilfertig abdrücke und Sie schlecht erwische, müssen Sie unnötig leiden und ich leide mit Ihnen. Wenn wir das Ganze hingegen gut untereinander ausmachen, kriegen wir gleich beim ersten Mal eine mächtige Wunde hin, die tödliche genug ist, so dass wir um einen qualvollen Todeskampf herumkommen...
Er winkte nur missfällig ab, als ob er mich zum Teufel schickte, und erhob sich von seinem Sitz, als ob er einige Schritte tun wollte. «Sitzen bleiben!», schrie ich. Er hielt aber nicht inne und wendte sich auch nicht zu mir hin. Er lief im Büro auf und ab, ohne sich meiner Anwesenheit bewusst zu sein. Man muss dazu sagen, dass ich nur in sehr geringem Maße fähig war, ihn einzuschüchtern, da ich von vornherein meine Absicht, ihn zu töten, angekündigt hatte. Was hätte ich noch hinzufügen können, was mich gefährlicher hätte werden lassen?
—Bedenken Sie doch, wenn ich ohne besseres Wissen schieße und einen Nerv bei Ihnen treffe, dann kann das ein brutaler Schmerz sein! —sagte ich mit rauer Stimme—. Es gibt Schmerzen, die sind schlimmer als der Tod selbst...
Er baute sich vor mir auf und fixierte mich mit fragendem Blick.
—Wie gut kennen Sie sich in der Anatomie des Körpers aus? —fragte er mich— Wollen Sie sagen, dass Sie zielen können, so dass Sie mich nicht quälen müssen (wie Sie vorgeben) und mich einfach nur aus dem Weg schaffen, worum es Ihnen ja schließlich geht?
—Nein —antwortete ich —. Ich habe keine Ahnung von Anatomie, außer dem allgemeinen Wissen, das man so hat. Meine Idee ist vielmehr, direkt aufs Herz zu schießen und dann der Natur ihren Lauf zu lassen.
—Und wo habe ich mein Herz, wenn man fragen darf?
—Auf der linken Seite, wie wir alle.
—Nein. Wie alle habe ich es zwischen den beiden Lungenflügeln, direkt über dem Zwerchfell. Ihnen fehlt ja sogar das nötigste Grundwissen....
Ich hatte mir vorgenommen, geduldig zu sein, denn er musste schließlich schon genug Ängste durchstehen, der arme Mann. Diese Gedanken machte ich mir also, ohne den wahren Charakter meines Opfers zu kennen. Und, nebenbei gesagt, wenn ich mir eine Überlegung gestatten darf, die vielleicht vielen nützlich sein kann: Wenn man jemanden umbringen will, sollte man ihn besser gut kennen und wissen, wie es ausgehen kann, bevor man sich darauf einlässt. Wie gut, dass ich das berücksichtigt hatte!
—Gut—gab ich ruhig zurück— nur nicht nervös werden. Mir macht es nichts aus, dorthin zu schießen, wo Sie es mir sagen. Es liegt ja schließlich in Ihrem eigenen Interesse.
—Es gibt eine äußerst sensible Stelle am Körper—sagte er—. Den Nacken! Ein Schlag in den Nacken mit der Waffe aus nächster Nähe, da braucht man keinen zweiten.
Urplötzlich fand ich ihn undankbar. Man musste schon ein übler Mensch sein, um so gefühlskalt von einem Schlag zu sprechen, der ihn unwiederruflich umbringen würde. Aber ich wollte das nicht mit ihm ausdiskutieren.
—Ganz wie Sie wollen—sagte ich zu ihm.
—Nein, ich vertraue da ganz auf Ihre Intuition —erwiderte er. Bewegen Sie sich nicht, ich werde Ihnen die Stelle zeigen...
Ich blieb sitzen. Er näherte sich mir von hinten und zwang mich mit seiner linken Hand, den Kopf zu senken, so wie beim Friseur. Für einen ganz kurzen Moment schien ich sogar dieses sanfte Geräusch zu hören, das entsteht, wenn bei Haare schneiden die Haare hin- und hergeschoben werden. Schläfrig wartete ich darauf, dass mein Gegenspieler mit seiner Fingerspitze exakt die tödliche Stelle berühren würde. Aber stattdessen ergriff er mit einer schnellen Bewegung das silberne Schreibzeug, das auf dem Tisch lag und schlug es mir über den Schädel. Von diesem Verrat sollte ich erst Tage später erfahren, denn für den Moment war ich damit beschäftigt, das Bewusstsein und die Sinne zu verlieren.
Der Gefängnisarzt meinte, dass alles noch glimpflich ausgegangen sei, dass ich riesiges Glück gehabt hätte. Das ist Ansichtssache! Ich war ein bisschen schwerhörig gewesen und nach dem Schlag war mein Gehör besser geworden. Soviel dazu, Glück gehabt zu haben... Der Plichtverteidiger glaubt, dass es für einige Jahre reicht, dass sie mir auf jeden Fall aufgebrummt werden, vor allem für die Tatsache, dass ich ohne Erlaubnis Waffen in ein öffentliches Gebäude eingeschleust habe. Ich wüsste gerne, was geschehen wäre, wenn ich um Erlaubnis gefragt hätte! Das sind doch alles Heuchler.
Meine Beharrlichkeit lässt mich nicht zur Ruhe oder zum Meditieren kommen in diesen vier Wänden. Ich habe Erinnerungen, ich denke, ich ziehe Bilanz.... Ich denke mit Wehmut an den Tag zurück, an dem das geheime Treffen stattfand, an dem man mir den Decknamen «Die Hyäne» gab. Es war nicht leicht, weil zwei weitere Kameraden auch den gleichen Namen wollten und dafür auf vergangene Taten verwiesen. Ich übertrumpfte Sie, indem ich von einer zukünftigen Tat erzählte, ganz meinem Drang nach Perfektion entsprechend. Mein stärkster Rivale musste sich mit dem Decknamen «Die Manguste» begnügen, der anderen mit «Die Otter». Nein danke!
Ich bin also «Die Hyäne », ein zu vielsagendes Pseudonym, um es hinter Steinmauern einzuschließen. Nein, ich bin nicht egoistisch. Wenn ich könnte, würde ich es der Gruppe vermachen, als Wiedergutmachung. Aber die Gruppe wurde zerschlagen. Indem sie mich Tag und Nacht mit Fragen und kriminellen Verhörmethoden in die Enge getrieben hatten, haben Sie alle geschnappt.
Und nun, in völlig wachem geistigen Zustand, ohne von irgend jemandem dazu genötigt zu werden, freiwillig, möchte ich den Spitznamen demjenigen überlassen, der ihn am besten gebrauchen kann, denn es wäre schade, wenn er sich hier drinnen mit mir verbrauchen würde. Ich werde lange Zeit nichts damit anfangen können und draußen kann er vielleicht noch nützlich sein. Ich bin nicht versiert in Wohltätigkeitsdingen, ich habe wenig Bezug dazu und weiß nicht viel darüber. Ich überlasse ihn einfach einem Waisenhaus in der Hoffnung, dass man dort mehr oder weniger zu schätzen weiß, dass dies alles ist, was ich habe. Ich glaube, dass es vielleicht jemanden geben wird, der das Waisenhaus beleidigt und verbittert verlässt, der genug gequält wurde und ausreichend Gründe hat, um ihn voller Rachelust zu nutzen. Auf dass er auf immer unsterblich werde!
(Aus Invasió subtil i altres contes, 1978)
Aus dem Katalanischen übersetzt von Katharina Wieland ©