3. Alemany
Kamele durch das winzige Öhr einer Nadel.
Sie haben die Herausforderung, die Christus ihnen auferlegte
Mit überraschender Leichtigkeit gemeistert. Christus
Hatte nicht die große Geschicklichkeit der Kamele bedacht.
Und das Traurigste daran ist, dass nur sie ihr Heil
Finden und es sich zusammenschließen und niemand sonst...
Die Kamele, wenn sie denn durchs Nadelöhr gegangen sind,
Strecken sich aus, schütteln den Staub ab, lassen sich die Hufe reinigen,
Klatschen in die Hände, verlangen nach Zeitungen, nach
Kaffee, nach Wein, nach der erlösenden Zigarre, der Friedenstaube
Und nach Generalamnestie.
Wir müssen es zugeben, und das nicht ohne gewissen Schmerz
Dass sie uns übel mitgespielt haben und daran ist nur
Christus Schuld, der engelsgleiche und gute Glaube Christi.
Nun ist alles konfus, so durcheinander...
Nun sind unserer besten Freundinnen seine Geliebten,
Die Gerechtigkeit, die...
Überall ringsherum finden wir seine Vertreter
Entweder mit Kreuzen oder mit schwarzen Roben bewaffnet, um
Uns zu erschrecken
Und sie alle lassen in uns eine traurige Müdigkeit aufkommen
Die uns von morgens bis abends verbittert.
Es gibt die sicheren Kamele, mit Frack bekleidet, die uns
Anlächeln, uns die Blume, die sie im Knopfloch tragen
Beschnuppern lassen,
Die uns Arbeit geben und Weihnachtsgeld.
Die unsicheren Kamele, hingegen, verziehen das Gesicht,
Sie teilen Fußtritte aus und tragen den Höcker hoch. Es ist
Bekannt, dass sie sich untereinander nicht
Grün sind. Alle sind in Bewegung,
Rennen, stellen sich Fallen, schikanieren sich,
Tun sich zusammen, streiten sich, bewaffnen sich, entwaffnen Sich,
Führen Kriege, erlassen Amnestien, vereinbaren Waffenstillstände
Erfinden Mythen, betrügen uns, kolonisieren, töten Schwarze,
Machen sich unabhängig, machen Geschäfte.
(Aus Una bella història, 1962)
* * *
Die Heimatlosigkeit. Eine Heimat zu haben —in sichtbarer Form eines Staates— ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns nicht systematisch der tiefen Verantwortung für unseren Stamm entziehen und uns gegen uns selbst verteidigen, um nicht ständig in einem Zustand von Durchtriebenheit zu leben. Sonst manifestiert sich die Tribalität in Form einer vagen, hässlichen und obszönen Sentimentalität, die unterdrückt werden muss. Ein Staat bringt Korruption und andere Unannehmlichkeiten hervor, aber schlimmer als sie hervorzubringen ist die Tatsache, sie nicht zu haben.
Ein Heimatloser ist schön; vierhunderttausend, konzentriert, alle zusammen lebend, sind eine widerliche Dummheit. Ein Stamm muss eine Heimat haben, wenn sie auch nur dazu da ist, die Dichter und Dichterinnen zu versorgen, die daraus hervorgehen, genauer gesagt ihre Sprache zu respektieren und weil sie am besten die Regeln der Tribalitat (Trivialität)... kennen. Dass genau das Gegenteil der Fall ist, ist lediglich ein Zeichen für die Präsenz des Bösen. In der Bibel wird das Phänomen weitreichend erklärt. Ich verstehe, dass wir systematisch den Blutzoll ablehnen, der nötig ist, um sie zu erbauen. Diese Forderung ist eine Dummheit, aber es gibt scheinbar kein anderes Mittel, das das Böse verhindert. Und man muss dem Bösen gefällig sein.
Dulce et decorum est pro patria mori. Das ist wenig, sehr wenig. Man muss mehr tun. Man muss die Feinde umbringen, intolerant sein. Das Schlimmste daran, in eine Gemeinschaft ohne Staat hineingeboren zu werden, ist die Menge an Zeit, die man dadurch verschwendet, dass man versucht, ihn zu erschaffen. Das mag auch Vorteile habe, aber ich persönlich hätte vorgezogen, wenn alles schon arrangiert gewesen wäre.
Der Antikatalanismus. Das ist ein Thema das in Amerika jeden scholar interessiert, wegen seiner Komplexität und seiner Exotik als Studienthema.
Im Grunde waren und sind die Gründer, Förderer und Bewahrer des Antikatalanismus durch und durch Katalanen, alle gut verwurzelt: mit breitem Gesicht.... in welcher Form auch immer sie auftreten mögen, als Pfarrer, Anarchisten, Faschisten, Kommunisten... Und ein zweiter Punkt, der leider nicht wirklich originell ist: In allen Gemeinschaften tritt das gleiche Phänomen auf, das trotz seiner weiten Verbreitung nicht aufhört, mysteriös zu sein. Eine Ad-hoc-Erklärung wäre: wenn man sich sehr für eine Sache einsetzt, zu sehr, dann entsteht so etwas wie ein gegenteiliger Effekt, ein Instinkt dafür, anders zu sein, obwohl das äußere Erscheindungsbild dieses Anderssein nicht bestätigt, vielmehr sogar es widerlegt.
Einen Tschechen fragte man kurz nach der Unabhängigkeit von den Slowaken, wie er von nun an sein Land bezeichnnete, denn es war klar, dass die Slowaken Slowakei sagen würden. Und er antwortete ganz im Ernst, dass er es nicht wisse, dass die Pariser, die häufig als frivol gelten, Leute, die sich mehr für den Namen als für die Dinge an sich interessierten und das Ganze vielleicht eine Hommage daran sei, wenn man bedächte, dass sie Spezialisten in diesen Angelegenheiten seien? Auf jeden Fall war das schockierend für mich, als Angehöriger eines Stammes, der sein Bestreben nach Unabhängigkeit vor allem darauf baut, einen eigenen Namen zu haben und nicht so sehr auf die Tatsache, anders zu sein, zumindest in der Zeit, als ich hier zufällig lebte. Wir verdrängen auf eine Weise, die ein Mönch von Montserrat selbstgefällig nannte —um damit den unklassifizierbaren Status quo zu bezeichnen— dass unsere Haupteigenschaft nicht darin besteht, eine Rasse zu sein, ‘genauso wie Hunde, die das nicht sind’, unterstrich er. Wenn es wirklich so klar und einfach sein sollte, warum sollten wir dann unabhängig sein wollen? Das wäre ja, wie wenn man nach Maut für eine Autobahn verlangen würde, wenn man gar keine hätte. Eine völlige Absurdität. Leider können wir nicht die Euphorie des Mönchs teilen: wir sind verwurzelt, gut verwurzelt; man kann uns bereits aus der Ferne unterscheiden, vor allem unsere Feinde können das, und von diesen müssten wir uns abgrenzen, sobald wir uns von ihnen getrennt haben, ohne jede Erklärung, ohne weder den Namen noch die Sache zu kennen, wie der Tscheche.
(Aus El canvi, 1998)
Aus dem Katalanischen übersetzt von Katharina Wieland ©