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Josep Palau i Fabre
1917-2008

3. Alemany

Wie viele Fragen! Und ich muss sie beantworten.
So viele Fragen richten sich in mir auf
und ich weiß nicht, wem ich sie stellen soll, und tue so
als antwortete ich auf die ihren.
Sind meine Fragen für ein anderes Ohr
so kindlich wie die ihren es mir scheinen?
Bin ich vielleicht noch kindlicher?
Wenn meine Fragen gehört werden, warum
antwortet niemand darauf?
Sie werden hin und wieder ruhiger durch meine Antworten...
Aber warum gibt es nie eine Stimme,
die mich tröstet?
Weil ich allein, mir allein, für mich antworte?
Sind meine Fragen zu geschraubt?
Ist mein Gehör nicht scharf genug um die Stimme
der Antworten zu hören?
Warum kommen unsere Kinder und belästigen uns mit ihren Fragen,
bevor die unsrigen gelöst sind?
Sind sie vielleicht die ersehnte Antwort?
Ist die Frage die einzige Antwort auf die Frage?
Ist die lebendige Frage des Kindes
die Antwort auf unsere Erwachsenenfragen?
Oder sind die unsrigen schon tote Fragen?
“Warum spielen Erwachsene nicht?”
Erklärt unser Spielen das ihre
oder erklärt uns vielmehr ihr Spiel uns selbst?
Wer ist hier die Erklärung von wem?
Bin ich nicht in meiner Gänze eine lebendige Frage?
Wird der Tod eine tote Antwort sein?
Warum lässt das Leben zu, dass wir uns totfragen
und warum lebt der Tod in den Antworten?




In mir vereinen sich beide Geschlechter,
Klarheit des Rätsels.
Das Gute und das Böse vermischen sich in mir
und brauchen sich gegenseitig.
Liebe und Hass zeugen miteinander,
weil sie sich hassen und lieben.
Und Leben und Tod sind Schein.

Liebe mehr, wenn du kannst.
Hasse mehr, wenn du willst.
Tu Gutes, tu Böses;
das eine steht für das andere.
Tu mehr Gutes, tu mehr Böses,
tu, was du willst, aber mehr.
Auf den Exzess kommt es an.
Alles ist das Gegenteil von sich selbst,
bevor es das Gegenteil von etwas anderem ist.
In diesem Schauspiel
wird alles geboren, wenn es stirbt und stirbt bei der Geburt.
Die Geschlechter durchdringen sich nicht,
sie trennen sich auch nicht,
sie sind geeint in der Wurzel
durch irgendeine andere Seite.
Was ist männlich? Was ist weiblich?
Alles ist gleich und alles ist verschieden.

Wenn du alles in mir errätst,
schließen wir einen Pakt.
Sieh, wie zart ich bin und fein
auf der einen Seite
und wie wild und kantig
auf dieser anderen.
Wer betreibt den Krieg zwischen beiden?
Derjenige, der uns vereint und uns trennt.
Ich liebe mich, weil ich es bin;
den andern liebe ich ebenso.
Freude und Schmerz sind Simulakren.
Verstand und Wahnsinn heiraten morgen.

Du wirst deine Eltern töten, die Kinder wirst du verschlingen:
sie rauben dir deine Kraft und sind dein Geheimnis.
Du wirst Kind deiner Kinder sein und die Eltern gebären.
Dann wirst du, wenn du willst, von dir selber geboren.

In mir vereinen sich beide Geschlechter,
Klarheit des Rätsels.
Das Gute und das Böse vermischen sich in mir
und brauchen sich gegenseitig.
Liebe und Hass zeugen miteinander,
weil sie sich hassen und lieben.
Und Leben und Tod sind Schein.

(Fragmente aus dem Werk La Caverna [Die Höhle]. Paris, Frühjahr 1952; Grifeu, Frühjahr 1969. Auch enthalten im Band Les veus del ventríloc [Die Stimmen des Bauchredners] )

* * *

Triumph des hohen Wahnsinns

Für Joan Perucho

Ich steige hoch auf mich hinauf
und schaue:
viel transparenter seh ich mich.
Nein, dass der Wind, das wusst' ich nicht,
meine Haarpracht tragen könne
und es genießt so königlich.
So dass ich nun ständig den Wahn mir gönne,
ich stürze mich von mir herab
in Himmel, Schluchten, endlosen Trab.
Ich habe keine Zeit zu lieben: mein Arm ist nicht genügend lang
- Clara, Barbara, Freundinnen -
um euch alle zu umschlingen,
um das Leben zu erreichen.
Und, damit ihr es nur wisst, schreib ich von nun an die Rose
in Prosa.

15. Januar 1943

(Aus: Poemes de l'Alquimista: L'Alienat: Imitació de Rossellò-Pòrcel: Arbre de les Flames [Gedichte des Alchimisten. Der Entfremdete: Nachahmung von Rossellò-Pòrcel, Der Flammenbaum], 1945)

Aus dem Katalanischen übersetzt von Claudia Kálasz ©


Amb el suport de:

Institució de les Lletres Catalanes