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Mercè Rodoreda
1908-1983

Coberta del llibre Auf der Plaça del Diamant.

3. Deutsch [Exzerpt Auf der Plaça del Diamant]

Jeden Tag war sie müder. Sie fand die Kinder, wenn sie die Wohnung betrat häufig schon schlafend vor. Sie hatte ihnen eine Decke auf dem Boden des Esszimmers ausgebreitet, mit zwei Kissen, und dort fand sie sie schlafend, meist ganz nah beeinander, der Junge hatte seinen Arm quer über Rita gelegt. Bis sie irgendwann nicht mehr schliefen und Rita, so klein wie sie war, hiiii.... hiiii.. hiiii machte und sie und der Junge sich gegenseitig ansahen und der Junge ihr einen Finger vor den Mund hielt und sagte, sei still. Und Rita lachte auf Neue, wieder ihr Lachen, hiiiii... hiiiii... hi... ein äußerst seltsames Lachen. Und ich wollte wissen, was los war. Einmal beeilte ich mich ein bisschen mehr und hielt mich nirgends auf und kam ein bisschen früher nach Hause, öffnete die Wohnungstür, als ob ich einbrechen wollte, hielt den Atem an, während ich den Schlüssel im Schloss umdrehte. Die Galerie war voller Tauben und auch im Flur waren welche und die Kinder waren nirgends zu sehen. Drei Tauben, direkt vor mir, spazierten zum Balkon auf der Straßenseite, dessen Tür weit offen stand und flogen davon, wobei sie einige Federn und Schatten hinterließen. Vier weitere tappten eilig zur Galerie, schnell, schnell, machten dabei ab und zu einen kleinen Hüpfer, wobei sie ihre Flügel aufspannten und als sie an der Galerie ankamen, drehten sie sich zu mir um, betrachteten mich, ich erschreckte sie mit einer Armbewegung und sie flogen davon. Ich fing an die Kinder zu suchen, schließlich sogar unter den Betten und ich fand sie im dunklen Zimmer, in dem wir Antoni, als er noch sehr klein war, immer eingeschlossen hatten, damit er uns schlafen ließ. Rita saß auf dem Boden mit einer Taube auf dem Schoß, und der Junge hatte drei Tauben vor sich und gab Ihnen kleine Stücken und sie pickten sie mit dem Schnabel aus seiner Hand und als ich fragte, was macht ihr da?, schreckten die Tauben auf und flatterten auf und stießen an den Wänden an. Und der Junge verbarg sein Gesicht in seinen Händen udn fing an zu weinen. Und was für eine Arbeit ich damit hatte, die Tauben aus dem Zimmer zu bekommen... Was für ein Theater! Es stellte sich heraus, dass die Tauben schon seit einiger Zeit vormittags die Herren im Haus waren, wenn ich nicht da war. Sie kamen über die Galerie herein, tippelten den Flur entlang, flogen vom Balkon zur Straßenseite hin wieder davon und verschwanden wieder im Taubenschlag gleich um die Ecke. Auf diese Weise hatten meine Kinder gelernt, ruhig zu sein, um die Tauben nicht zu erschrecken, damit sie ihnen Gesellschaft leisteten. Quimet fand das sehr schön und sagte, dass der Taubenschlag wie ein Herz war, aus dem das Blut quoll, dass dann durch den Körper fließt und dass die Tauben aus dem Taubenschlag, also dem Herz, herausflogen, eine Runde in der Wohnung, dem Körper, drehten, und dann wieder in den Taubenschlag, ins Herz, zurückkehrten. Und er sagte, dass wir zusehen sollten, noch mehr Tauben zu bekommen, weil sie von Luft und Liebe lebten und keine Arbeit machten. Als die Tauben auf dem Boden aufflatterten, war es wie eine Welle von Blitzen und Flügeln und bevor sie schlafen gingen, pickten sie an der Brüstung, knabberten den Putz an, und an vielen Stellen auf der Brüstung waren großflächig abgenagte Stellen an den Ziegeln zu erkennen. Antoni bahnte sich einen Weg durch eine Taubenhorde, hinter ihm Rita und die Tauben rührten sich kaum: einige machten ihnen den Weg frei, andere folgten ihnen. Quimet sagte, dass die Tauben ja schon an die Wohnung gewöhnt wären und er Nistkästen ins kleine Zimmer stellen würde. Und wenn sich die Kinder auf den Boden setzten, waren sie sofort von Tauben umgeben, die sich von ihnen anfassen ließen. Quimet erzählte Mateu, dass er Nistkästen im kleinen Zimmer aufstellen wollte, direkt unter dem Speicher; man musste nur ein Loch in die Decke machen, eine Falltür, sagte er, eine Leiter einbauen und die Tauben hätten einen kurzen Weg, um von der Wohnung in den Taubenschlag zu gelangen. Mateu gab zu bedenken, dass der Hausbesitzer das nicht wollen würde und Quimet meinte, dass er es nie erfahren werde und dass, wenn wir die Tauben nur sauber hielten, der Hausbesitzer sich nicht beschweren könne und er sich ja ab sofort der Taubenzucht widmen wolle, um schließlich einen Hof zu haben, wo wir alle, die Kinder und ich, uns darum kümmern würden. Ich sagte ihm, dass das völliger Schwachsinn war und er antwortete, dass die Frauen ja immer den Ton angeben wollten und dass er schon wisse, was er mache und warum er es mache, und, gesagt, getan; Mateu, mit seiner Engelsgeduld baute eine Falltür ein und Quimet wollte die Leiter bauen, aber Mateu sagte ihm, dass er eine von der Baustelle mitbringe, eine nur ein bisschen gebrauchte, und dass er nur eine Stufe oder zwei absägen müsse, denn sie schien ihm ein bisschen zu lang.

Er stellte unten Nistkästen auf und verschloss zunächst einmal die Türen, damit sie sich daran gewöhnten, direkt über die Leiter zu klettern, anstatt die ganze Wohnung zu durchqueren. Die Tauben lebten im Dunkeln, weil er auch die Falltür verschloss, die aus Holzlatten war und sich von oben öffnen ließ, wenn man an einem Eisenring zog; auf der Unterseite, wenn man oben auf der Leiter stand, musste man sie mit dem Kopf und den Schultern anheben. Ich durfte nicht eine Taube töten, denn das Geschrei und Weinen der Kinder durchdrangen sonst das Haus. Wenn ich das kleine Zimmer betrat, um es zu putzen, machte ich Licht und die Tauben blieben völlig geblendet wie gelähmt sitzen. Cintet, den Mund verkniffener denn je, wurde sehr wütend.

— Das ist ja das reinste Taubengefängnis!

Und die in der Dunkelheit eingeschlossenen Tauben legten Eier und brüteten und es schlüpften kleine Tauben und als die kleinen Tauben Federn hatten, machte Quimet die Falltür auf und durch ein Gitter, das er an der Zimmertür eingebaut hatte, konnten wir sehen, wie die Tauben die Leiter empor kletterten: ein Flattern, eine Stufe oder zwei. Was für eine Freude bei Quimet... Er sagte, dass wir achtzig Tauben halten könnten und mit den Jungvögeln, die die achtzig Tauben ausbrüten würden, könnte er darüber nachdenken, den Laden aufzugeben und vielleicht ein Grundstück kaufen und Mateu würde ihm ein Haus mit günstig beschafftem Material bauen. Wenn er von der Arbeit kam, aß er zu Abend ohne zu wissen, was er da eigentlich aß und hieß mich dann sofort den Tisch abräumen und im Licht der Tischlampe mit den erdbeerfarbenen Fransen begann er auf einem alten Zettel, um Papier zu sparen, Rechnungen aufzustellen; so viele Taubenpärchen, so viele Jungvögel, so oft, so viel Käfige... ein rundes Geschäft.

(Auf der Plaça del Diamant, 1962)
 

Übersetzung aus dem Katalanischen von Katharina Wieland ©

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Institució de les Lletres Catalanes