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Marià Villangómez
1913-2002

3. Alemany

Alles, was ich nicht sagen werde

Aber die Lippen des Verses sind auch stumm.
Reine, mutige Schwingen, die manches Mal
flatternd sich heben. Zitterndes Lichtareal
in Augen von Vögeln aus hohem Heiligtum

sammelt Bitten aus Feldern ohne Ruhm
und Wellen tiefsten Blaus wie Mineral!
Im Sonett ist die Welt gefasst in Form und Zahl,
jeder Moment darin falsches Residuum.

Der Erinnerung Atem scheint dort nicht zu wehen,
mein Traum verflüchtigte sich im Papier,
ein Friedhof, wo als Kreuz Gedichte stehen.

So viel Abwesenheit such’ Schutz nun hier
im Vers. Was nie gesagt sein wird von mir
und was ich nie gesagt, soll dorthin gehen.

(Aus: Sonets de Balansat [Balansater Sonette], 1956)

* * *

Der Wind oder die Liebe

Es fehlt nicht an Raum für deine
Wirbel und Läufe,
Wind, der den Sommer in Unordnung bringt.
Du hast die ganze Nacht
- nicht nur diese nasse Straße -,
meine Haare
und auch meine Gedanken sind zerwühlt.
Es regnet nicht mehr. Das Gewitter zieht fort,
hin und wieder wendet es sich mit aufleuchtender Überraschung.
Ich denke an Wellen, an kühlen Sand;
an die Gärten, die der Regen zerstampft hat;
an die feuchten Kräuter auf dem nächtlichen Hügel,
Aufsprießen für niemanden;
und die Pinien, die ein dunkler Traum besucht
- Wind oder nur nur ein kalter Verdacht -;
an ein seltsames, am Boden gefesseltes Begehren.
Es ist, als ob ich erinnerte oder liebte,
es ist, als ob ein Toter eine pressende Decke hörte
und die Versprechen sich nie erfüllten.
Wach lausche ich dem Wind, der Liebe.

(Aus: La miranda [Der Ausblick], 1958)

* * *

Das Gedicht

                  I

Wir sagen, das Herz. Seht es an. Ist eures so?
Es sind Worte, fremd und durch Zufall
euch zur Gewohnheit geworden. Zum Teil fremd.
Oder ist das Herz der Fremde? Kennt ihr es nicht?
Oh, Geist und Gefühl verbrüdern uns.
Alle haben wir geliebt, alle haben wir Angst gehabt,
Seele und Fleisch zerfrisst das Leid.
Wir wissen, was wir brauchen - und dass es nicht genug ist -
um uns durchs Leben zu schlagen, hienieden, unter
der Himmelstiefe... Eh! Hört ihr nicht zu? Fliehst
du, mein Bruder, diesen Lobgesang, das Gedicht?
Das Gedicht, diese Wörter, die zu dir singen,
sagen sie dir nichts Verständliches? Licht waren sie,
brennende Flamme, aber wenn sie dich berühren erlöschen sie und sterben.
Nur der Dichter wird das Gedicht hören
und das Feuer sehen, das handvoll offen dargeboten wird.
Die Helligkeit der Dichtung, diese Gnade,
mit der Gott unter vielen einen Menschen ermüdete.
Weder die Liebe, noch der Schmerz, noch die Angst
sind es, wodurch das Herz sich mit allen anderen verbindet.
Nicht der gesunde Menschenverstand. Einzig die Dichtung.


                  II

Die Dichtung ist der unerstickbare Wind
an den Grenzen des Herzens und des Geistes. Der Flügelschlag
eines unerwarteten Vogels. Blinde, seht ihr ihn?
Nur der Dichter hört auf diesen Herzschlag,
hoch, unsichtbar und - wer hätte es gedacht - fröhlich,
gewagt fröhlich. Er ist das liebende
Zittern jenseits von erotischen Stürmen;
ein Kuss auf den eitrigen Grund der Wunden;
durch die Ängste hindurch eine Hoffnung.
Die Dichtung trägt ein geheimes
Entzücken in die Schmerzen, eine verborgene
Schönheit in handfeste Monster.
In der traurigsten verzweifeltsten Strophe
schlägt eine entfernte Zustimmung. Verse
sind so: ohne Genuss würden sie nicht existieren.
Denkt nicht an gewöhnlichen Genuss; sie verkünden
ein vereinzeltes und willkommenes Wunder. Wäre alles
Schmerz, nur Schmerz, würde der Vers schweigen.

(Aus: La miranda [Der Ausblick], 1958)

* * *

Der Fund

Hier sind antike Götter vergraben.
Grausame Götter, so wie Götter zu sein pflegen.
Trotzdem nahmen sie die Gebete an.
Man musste sie bei guter Laune halten für den Fall nötigen Beistands.
Vor allem, um ihren Hass zu verhindern.
Denn werden wir je Dank aufbringen für das, was wir haben?
Die Feste beerdigt, die Töpfe, in denen die Götter zerfallen.

Wir pflügen ihre Erde,
wir erkennen sie nicht, wenn sie uns auf einer leprösen Münze erscheinen.
Welch ein Windstoß fuhr über ihre Zerbrechlichkeit!
Jene Gottheiten waren der Liebe geneigt,
über kein noch so beharrliches Begehren rümpften sie die Nase.
Sieh die hundertmal wiederholte Göttin.
Verspürst du nicht den Wunsch, ihr ein kleines, antikes Opfer zu bringen?
Die alten Priester müssen selbstgefällig ausgesehen haben,
mehr Nachgiebigkeit auf den Lippen als in den Augen.
Kürzer war ihr Leben als das ihrer Tongötter,
dieser Amulette und Gaben.
Jetzt sieh die Kabiren, Flammen oder Sterne,
die sympathischen Kabiren, wie unförmige Zwerge.
Einmal wird man sich hier wohl an sie erinnert haben,
denn sie waren sehr wichtig,
wo es Seefahrer gab und lange Reisen.

Jetzt erdrückt die Erde Menschen und Träume,
und auch die schamlosen Liebschaften,
die diese unedlen Götter nicht verachteten,
Abkommen der Erde, die sie waren.

Unter der Saat, wie eine alte, verfaulte Wurzel,
mit den Dingen ihres Alltags, Haken, Lampe oder Spielzeug.

(Aus: El cop a la terra [Der Schlag auf die Erde], 1962)

Übersetzung aus dem Katalanischen von Claudia Kalász ©


Amb el suport de:

Institut d'Estudis Baleàrics